Die jüngste PDA Good Aseptic Manufacturing Conference, die am 15. und 16. Mai 2024 in Stuttgart stattfand, bot eine Plattform für Branchenführer, Regulierungsbehörden und Interessengruppen, um wesentliche Themen im Zusammenhang mit der Implementierung der neuen Version von Annex 1, Manufacture of Sterile Medicinal Products, zu diskutieren. Zu den Hauptthemen gehörten Einblicke in die Erwartungen und Erfahrungen, die von Inspektoren geteilt wurden. Wesentliche Punkte, die während der Konferenz angesprochen wurden, waren das Qualitätsrisikomanagement (QRM) und die Kontaminationskontrollstrategie (CCS) sowie deren Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Produktqualität und die Sicherstellung der regulatorischen Compliance.
Qualitätsrisikomanagement (QRM):
Während der gesamten Konferenz wurde die Bedeutung des Qualitätsrisikomanagements (QRM) bei der Steuerung aseptischer Herstellungsprozesse deutlich hervorgehoben. Die Vortragenden betonten die Notwendigkeit für Pharmaunternehmen, QRM-Prinzipien umfassend in ihre Betriebsabläufe zu integrieren. Dies umfasst gründliche Risikoanalysen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg, einschließlich der Herstellung, Verpackung, Lagerung und Vertrieb. Die Teilnehmer stellten praktische Strategien zur effektiven Umsetzung von QRM-Konzepten vor und nutzten Werkzeuge wie die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (Failure Mode and Effects Analysis, FMEA), um Risiken zu priorisieren und Ressourcen sinnvoll zuzuweisen.
Beobachtungen, die von Inspektoren geteilt wurden, zeigten gemeinsame Erkenntnisse im Zusammenhang mit QRM auf und verdeutlichten Bereiche, in denen Pharmaunternehmen auf Herausforderungen stoßen könnten:
- Missbrauch von QRM zur Rechtfertigung inadäquater Praktiken: Anstatt Entscheidungen im Sinne von Best Prasctices zu treffen, wird QRM in manchen Fällen auch verwendet, um suboptimale Praktiken zu rechtfertigen, was die Produktqualität und die Patientensicherheit potentiell beeinträchtigen kann.
- Vorbestimmte Risikobewertungsergebnisse: Ein besorgniserregender Trend besteht darin, dass das Ergebnis von Risikobewertungen vorbestimmt wird, bevor die Bewertung überhaupt begonnen hat. Dies beeinträchtigt die Unparteilichkeit und Wirksamkeit des Evaluierungsprozesses.
- Generische Risikobewertung: Risikoanalysen sollten spezifisch für jeden Prozess sein und dessen einzigartige Eigenschaften berücksichtigen. Bei generischen Bewertungen besteht die Gefahr, dass kritische Risiken , die spezifisch für aseptische Herstellungsprozesse sind, nicht identifiziert werden.
- Ungeeignete Methoden und Berechnungen: Es wurden Fälle beobachtet, in denen falsche Anwendungen verwendet oder mathematische Kniffe angewendet wurden, um Risikoberechnungen zu manipulieren, was zu einem falschen Ergebnis mit zu niedrig kalkuliertem Risiko führte.
- Einmaliges Ereignis vs. kontinuierlicher Prozess: Risikoanalysen sollten kein einmaliges Ereignis sein, das von einer einzelnen Person durchgeführt wird, sondern vielmehr ein kontinuierlicher, integrierter Prozess innerhalb der Organisation. Das Versäumnis, QRM in die Betriebsabläufe zu integrieren, kann dazu führen, dass aufkommende oder bestehende Risiken übersehen werden.
Diese Beobachtungen unterstreichen anschaulich die entscheidende Rolle von QRM bei der Steuerung aseptischer Herstellungsprozesse und die unbedingte Notwendigkeit einer proaktiven Risikoidentifikation und -minderung. Teilnehmer und Inspektoren betonten gleichermaßen die Unverzichtbarkeit, robuste Risikobewertungen durchzuführen und effektive Strategien in allen Phasen des Produktlebenszyklus hinweg zu implementieren, um Qualität und Sicherheit der Produkte zu gewährleisten.
Kontaminationskontrollstrategie (CCS):
Ein zentrales Thema der Konferenz war die Bedeutung der CCS und die Notwendigkeit robuster Strukturen zur Minimierung der mit Kontamination verbundenen Risiken. Die Diskussionen konzentrierten sich darauf, dass Pharmaunternehmen einen proaktiven und ganzheitlichen Ansatz zur Kontrolle von Kontaminationen implementieren sollten, der verschiedene Aspekte der Herstellungs-, Verpackungs- und Lagerungsprozesse umfasst. Es wurde die Bedeutung der Identifizierung potenzieller Kontaminationsquellen, einschließlich Personal, Ausrüstung, Rohmaterialien und Umweltfaktoren, sowie der Implementierung präventiver Maßnahmen zur Minimierung der Risiken hervorgehoben.
Einige Sessions konzentrierten sich auf die Schlüsselelemente einer effektiven CCS, bei denen Experten die Integration wissenschaftsbasierter Prinzipien, Risikobewertungsmethoden und modernster Technologien betonten. Die Konferenz bot auch die Möglichkeit, innovative Technologien und Strategien zur Kontaminationsüberwachung kennenzulernen, einschließlich Echtzeit-Überwachungssystemen, schnellen mikrobiellen Nachweismethoden und fortschrittlichen analytischen Techniken. Mehrere Beiträge drehten sich um die Bedeutung der Schulung von Mitarbeitern, Überlegungen zum Anlagendesign und Umweltüberwachungsprogramme zur Aufrechterhaltung eines robusten CCS-Systems.
Inspektoren äußerten ihre Erwartungen, dass CCS-Bewertungen sorgfältig durchgeführt werden, wobei mehrere wichtige Überlegungen zu berücksichtigen sind:
- Funktionsübergreifende Teams: CCS-Bewertungen sollten funktionsübergreifende Teams einbeziehen, um eine umfassende Bewertung der Kontaminationsrisiken zu gewährleisten.
- Spezifität: Bewertungen sollten auf die vor Ort implementierten Prozesse zugeschnitten sein und keine generischen Bewertungen darstellen.
- Berücksichtigung unterstützender Aktivitäten: CCS-Bewertungen sollten alle Aktivitäten berücksichtigen, die sich auf Kontaminationsrisiken auswirken können, nicht nur den eigentlichen Herstellungsprozess.
- Automatisierung: Durch Automatisierung kann das Kontaminationsrisiko gesenkt werden, nichtsdestotrotz betonten Inspektoren, dass mit Automatisierungen neue Risiken für Kontaminationen entstehen können. Diese Risiken sollten identifiziert und im CCS eindeutig benannt werden.
- Nachfolgende (Follow-Up) Maßnahmen: Wenn Kontaminationsrisiken identifiziert werden, erwarten Inspektoren, dass nachfolgende Maßnahmen, wie Minimierungsmaßnahmen oder auch die Akzeptanz von Risiken, umgesetzt werden.
Die Form der CCS-Berichterstattung kann je nach den Präferenzen des Unternehmens variieren, aber Inspektoren erwarten, dass bestimmte Schlüsselelemente enthalten sind:
- Bewertung von Risiken und Maßnahmen: CCS-Berichte sollten Kontaminationsrisiken bewerten und die Maßnahmen definieren und dokumentieren, die zur Minderung dieser Risiken umgesetzt wurden.
- Schlussfolgerung und Überwachung: Berichte sollten Schlussfolgerungen aus der CCS-Bewertung enthalten und Pläne zur Kontrolle des Zustands darlegen. Diese Kontrollen sollten dokumentiert werden.
- Zugänglichkeit: Informationen und Ergebnisse aus CCS-Bewertungen sollten für relevante Interessengruppen innerhalb der Organisation leicht zugänglich sein.
Inspektoren teilten signifikante Erkenntnisse zu aktuellen CCS-Beobachtungen mit, darunter:
- Mangel an Schlussfolgerungen: Inspektoren haben beobachtet, dass CCS-Dokumente lediglich Titel von Standardarbeitsanweisungen (SOP) auflisten, ohne schlüssige Informationen zu liefern oder darzulegen, wie das Unternehmen die Wirksamkeit seines CCS überwacht. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit des Unternehmens, seine Maßnahmen zur Kontaminationskontrolle zu bewerten und zu verbessern.
- Generische CCS-Dokumente: Einige Unternehmen haben CCS-Dokumente vorgelegt, die zu generisch sind und keine maßgeschneiderten Maßnahmen zur Minimierung der Kontaminationsrisiken, die spezifisch für ihre Herstellungsprozesse sind, enthalten.
- Nicht bewertete Risiken: Bestimmte kritische Risiken wurden in den CCS-Dokumenten übersehen oder nur unzureichend bewertet. Beispiele hierfür sind Risiken im Zusammenhang mit extern durchgeführten Sterilisationsschritten, Wassersystemen, Rohstoffen, Lieferantenqualifizierungsprozessen, Mehrproduktbereichen, Sterilisation von Filtern und Verschlusssystemen für Behälter. Bleiben Risiken in diesen Bereichen unerkannt oder werden unzulänglich bewertet, stellt dies eine erhebliche Gefährdung der Produktqualität und der Patientensicherheit dar.
- Fehlende Lifecycle-Prozesse für CCS: Einige Unternehmen haben keine detaillierten Prozesse für das Lifecycle-Management ihrer CCS etabliert. Es fehlen klar definierte Prozesse zur regelmäßigen Überprüfung, Aktualisierung und Verbesserung der CCS, um im Laufe der Zeit die CCS an Änderungen oder neue Erkenntnisse und sich daraus entwickelnde Risiken anzupassen.
- Unzureichende Prozesse zur Risikoidentifikation und -überwachung: In Rahmen von behördlichen Inspektionen wurden zum Teil deutliche Mängel in den Prozessen zur Identifizierung und Überwachung von Kontaminationsrisiken festgestellt. Ohne robuste Verfahren sind Unternehmen nicht in der Lage, potenzielle Kontaminationsquellen proaktiv zu erkennen und zu beheben, was die Wahrscheinlichkeit von Produktqualitätsproblemen erhöht.
Regulatorische Erwartungen:
Einblicke, die auf der Konferenz geteilt wurden, warfen ein Licht auf die sich entwickelnde regulatorische Landschaft und die Erwartungen der Inspektoren hinsichtlich Kontaminationskontrollstrategien und Risikomanagement. Regulierungsbehörden erwarten strenge CCS-Bewertungen, durch die Kontaminationsrisiken im gesamten Herstellungsprozess identifiziert und gemindert werden können. Daher betonen Inspektoren zunehmend die Implementierung umfassender und risikobasierter Ansätze zur Kontaminationskontrolle, wobei von pharmazeutischen Unternehmen erwartet wird, ein gründliches Verständnis potenzieller Kontaminationsrisiken und proaktive Maßnahmen zu deren Minderung nachzuweisen. Darüber hinaus bot die Konferenz ein Forum zum Austausch bewährter Verfahren und Fallstudien, die erfolgreiche Ansätze zur Kontaminationskontrolle und aus regulatorischen Inspektionen gewonnene Erkenntnisse hervorheben.
Referenzen
- EudraLex Volume 4 Good Manufacturing (GMP) Guidelines – Annex 1, Manufacture of Sterile Medicinal products (2022).
- ICH Q9 (R1) Quality Risk Management (2023)